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#Sachbuchdienstag: Babyjahre

Remo Largo

Der Schweizer Professor in Kinderheilkunde ist leider im letzten Jahr verstorben. Aber seine Werke wie „Kinderjahre“ oder „Babyjahre“ sollte meiner Meinung nach jeder, der etwas mit Kindern zu tun hat kennen. Das wunderbare an Remo Largo und seinem „Erziehungsratgeber“: er geht nicht von einer idealen Entwicklung oder festen Entwicklungsprinzipien bei Kindern aus. Er sieht das Kind wie es ist: einmalig und in seiner Entwicklung individuell. Als Pädagogin finde ich es unheimlich wichtig,  genau dieses Bild von Kindern und ihrer Entwicklung zu verbreiten. Starre Entwicklungstabellen und fixe Zeitpunkte, wann ein Kind was können sollte verunsichert Eltern und wird dem Kind nicht gerecht. Remo Largos Bücher sollen zum einen Verständnis für die biologischen Vorrausetzungen eines jeden Kindes und für die Vielfalt kindlichen Verhaltens wecken.

Babyjahre beschreibt die Entwicklung des Kindes in den ersten vier Jahren. Schon in der Einführung macht Remo Largo deutlich, was sich durch das ganze Buch (und die darauf folgenden) zieht: „Die kindliche Entwicklung ist einheitlich in der Abfolge der Entwicklungsstadien. Sie ist aber vielfältig hinsichtlich des zeitlichen Auftretens und der Ausprägung bestimmter Verhaltensmerkmale“. (Largo, R. 2007, S.45) Es wird also deutlich, dass jedes Kind bestimmte Entwicklungsschritte macht, zu welchem Zeitpunkt, dass bestimmt jedes Kind selbst. Erst wenn es innerlich bereit ist bzw. die Hirnreife besitzt wird es diese Fähigkeit auch erwerben. Ein gutes Beispiel ist z.B. das Laufen lernen. Gerne setzten Eltern ihre Kinder nach wie vor in einen sog. Gehfreih/Babywalker oder Türhopser in der Hoffnung, dass Laufen lernen voranzubringen. Etwas provozierend möchte ich sagen, dass das Geld besser in dieses Buch investiert ist als in solche Sachen. Das Gehfreihs nicht nur überflüssig sind sondern auch gefährlich zeigt dieser Artikel auf test.de.

Zurück zum Buch…

Largo hat sein Buch in die Kapitel „Beziehungsverhalten“, „Motorik“, „Schlafverhalten“, „Schreiverhalten“, „Spilverhalten“, „Sprachentwicklung“, „Trinken und Essen“, „Wachstum“ sowie „Trocken und sauber werden“ eingeteilt.  In jedem Bereich der kindlichen Entwicklung erklärt er detailliert was in den Lebensmonaten 0-3, 4 bis 9, 10 bis 24 und 25 bis 48 in der kindlichen Entwicklung passiert. Immer mit dem Hinweis, dass dies nur in etwa Angaben sind und auch „Verzögerungen“ normal sind. Am Ende eines jeden Abschnitts sind die Ausführungen nochmal in aller Kürze zusammengefasst. Also auch für Eilige eignet sich das Buch hervorragend. Nun fragt man sich natürlich, was man denn als Eltern  mit diesen Informationen anfangen soll und kann. Zum einen dient das Buch, wie bereits erwähnt, dem Verstehen kindlicher Entwicklung aber jedes Kapitel enthält auch Hinweise welche Rolle die Eltern spielen und was diese zur Entwicklung beitragen können. Bewusst wird hier auf die Bezeichnung „Fördern“ verzichtet. Jedes kapitel ist zudem wunderbar bebildert mit Fotos und Grafiken.

Im Anhang finden sich einige Materialien unter anderem auch eine Vorlage zum Ausfüllen der Meilensteine in der Entwicklung des Kindes (also sowas wie Robben, greifen, Lachen….). Eine ganz schöne Sache zum Erinnern. Die enthaltenen Tabellen und Schlafprotokolle sollte man mit Vorsicht genießen und nicht dazu dienen sich selbst und seinem Kind Druck zu machen.

Besonders gelungen finde ich die Einführung in meiner Auflage aus dem Jahr 2007 (ich weiß nicht ab wann das Vorwort in dieser Form enthalten ist). Hier geht Largo auf die Rolle der Frau und Mutter ein. Er schreibt, dass Frauen nicht von Natur aus ausschließlich auf mütterliche Fürsorge festgelegt sind. Denn auch in der Vergangenheit hat sich – wenn überhaupt- nur eine Minderheit der Frauen allein um die Kinder gekümmert. (vgl. Largo, 2007, S. 42) ich sage auch: es braucht ein Dorf um ein Kind zu erziehen. Nehmt Unterstützung an! Auch den Mutter-Mythos spricht er an. Nach Largo wird dieser unter Frauen zunehmend schwächer und vor allem Männer verbreiten noch den Mythos der perfekten Mutter in Politik und Kirche.  Wo ich ihm definitiv nur zustimmen kann, ist dass das Patriachat uns immer noch im Griff hat. Oftmals sind es Männer (alt und weiß) über Belange von Frauen und Müttern bestimmen. Diese Pandemie und der Umgang mit Kindern bzgl Betreuung ist das beste Beispiel. Von wem wird erwartet Homeoffice, Familie und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen? Frauen. Im letzten Jahr sind viele scheinbar gleichberechtigte Partnerschaften wieder in das Rollenbild von 1950 gerutscht…

Allerdings wird das Bild der perfekten- Torten backenden- Adventskalender bastelnden-dabei lächelnden Mutter auch von uns Frauen fröhlich in den sozialen Medien weiter verbreitet und damit ein Ideal erhoben! #stopmombashing

So nun aber genug dazu.

Mein Fazit: Man braucht keine 25 Erziehungsratgeber und Bücher über kindliche Entwicklung mit fragwürdigen Tipps wie man das Kind fördern kann. Einmal Babyjahre gekauft und man hat ausgesorgt!

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